Nach 14 Jahren ist Schluss - Interview mit unserem Grotifanten
Vierzehn Jahre lang stand Andreas Bosheck alias Bossi als Grotifant immer an der Seitenlinie. Nun tauscht er Rüssel gegen Waschmaschine und unterstützt die Mannschaft künftig als Betreuer. Vorher schauten wir aber mit ihm noch mal zurück auf seine Zeit im Plüschkostüm.
[b]Hallo Bossi. Hast du schon realisiert, dass du jetzt nicht mehr Grotifant bist?[/b]Ich denke mal, das wird mit den ersten Spielen kommen. Beim Spiel gegen den 1. FC Köln und beim ersten Meisterschaftsspiel wird man dann schauen, wie es mir so geht, wenn ich mit auf der Bank sitze und neben mir der Grotifant steht. Ich bin mir aber zu 100% sicher, dass das gehen wird. Ich habe viele Gespräche geführt und habe auch einen privaten Mentor, der mich da unterstützt und mir beratend zur Seite steht, damit mir nichts passiert und ich nicht mehr so in den Medien stehe.Und eins wird auch klar sein: Beim ersten Spiel wird jeder – aber auch wirklich jeder – auf mich gucken, um zu schauen, wie ruhig ich bleibe und was ich mache. Und ich kann jetzt schon versprechen: Da wird von meiner Seite aus gar nichts passieren! Ich habe selbst auch schon Teamsport gemacht und weiß, wie man sich auf der Bank zu verhalten hat.[b]Aber es wird sich doch sicherlich trotzdem zunächst einmal seltsam anfühlen, neben dem Grotifanten zu sitzen, oder?[/b]Ja, aber ich denke, dass ich mehr mit dem Spiel beschäftigt sein werde. Sicherlich werde ich mal hinübergucken, was er so macht.[b]Ob er es gescheit macht…[/b]Nein! Genau das ist es, was nicht passieren darf. Er muss sein eigenes Ding machen. Er muss für sich fühlen und wissen, was er macht. Und das bekommt er ganz schnell raus, diese Balance zwischen den Fans und dem Spiel. Und wenn dort auch Kinder sind, das werde ich ihm klipp und klar sagen, wenn dort auch Kinder sind, dann muss er an den Zaun gehen zu dem Kind. Das Spiel kann laufen, da kann ein Tor fallen, das ist völlig egal. Dann muss er für das Kind da sein. Das Kind steht da extra und freut sich und die Kinder stehen an allererster Stelle.[b]Du sprichst jetzt schon ziemlich konkret über deinen Nachfolger. Ist schon ein Nachfolger in Sicht?[/b]Der Nachfolger wird noch gesucht. Heute haben wir jemanden zur Probe nach Traar geschickt (Anm. Traar in Bewegung), der möchte unbedingt Grotifant werden. Aber einen Namen werden wir noch nicht verraten, denn das wird dann von Vereinsseite bekanntgegeben, wenn es so weit ist.Nachdem bekannt geworden ist, dass ich als Grotifant aufhöre, habe ich über 15 Anfragen von Personen erhalten, die den Grotifanten machen möchten. Ich möchte nicht derjenige sein, der entscheidet, wer mein Nachfolger wird, damit es nicht heißt, dass ich jemanden bevorzugt habe, den ich persönlich kenne. Ich entscheide das nicht.[b]Also muss sich keiner Sorgen machen, dass der Grotifant nicht mehr existieren wird?[/b]Nein, um Gottes Willen.[b]Was wird dann mit dem Kostüm passieren?[/b]Da hat der zukünftige Grotifant freie Hand. Es kann sicher im Stadion verwahrt werden, er kann es aber auch mit nach Hause nehmen, wenn der Platz vorhanden ist.[b]Ich würde jetzt aus der Zukunft gerne erst einmal einen großen Schritt in die Vergangenheit zurückgehen. Und zwar in deine Anfangstage als Grotifant. Wie bist du überhaupt Grotifant geworden – wie wird man Grotifant?[/b]Es gab da diesen riesigen Pappelefanten, den meine Tochter damals im Stadion gesehen hatte. Der war plötzlich verschwunden für zwei oder drei Jahre, doch sie hat sich immer wieder daran erinnert, dass es den Grotifanten gab. Irgendwann mal haben wir den dann in einer Ecke gefunden und er war total verschimmelt. Meine Tochter war tieftraurig und auch meine zweite Tochter meinte, dass wir unbedingt einen Grotifanten bräuchten.Also haben wir uns mit meinem damaligen Fanclub – Legion Uerdingen – zur Aufgabe gemacht, den Grotifanten wiederzubeleben. Wir haben ein Kostüm gefunden, das damals mehr wie eine Maus aussah. Daraufhin stellte sich die Frage: „Wer macht denn nun den Grotifanten?“ und im Fanclub hat sich niemand angeboten, doch alle waren sich schnell einig: „Deine Kinder wollten, dass es einen Grotifanten gibt, also machst du ihn jetzt auch“.Das erste Spiel war dann natürlich gleich legendär. Die Fans von Fortuna Düsseldorf stürmten den Platz und ein Riesenbaby mit rot-weißem Gesicht hetzte hinter mir her. Dann kommt Jan Tauer um die Ecke und um den Düsseldorfer war es geschehen. Seitdem hieß er nur noch „Hightower“, weil er mich so schön verteidigt hat.Das Pokalspiel gegen die Fortuna vier Wochen später brachte mich dann ja bundesweit in die Schlagzeilen. Die Geschichte kommt mir mittlerweile schon zum Hals raus, deswegen möchte ich da eigentlich gar nicht drüber sprechen. Seitdem hat es mit den Schlagzeilen dann ja auch nicht mehr abgerissen (lacht).[b]Und wenn man einmal merkt, dass man als Medium mit dem Grotifanten Geld verdienen kann...[/b]… dann schlachtet man alles aus. Auch das mit den Ultras. Ich kannte den Typen nicht und der hat mir einfach den Grotifantenkopf abgerissen. Schon schreiben alle, ich hätte mich geprügelt. Ich habe mich aber überhaupt nicht geprügelt, das muss ich noch einmal klipp und klar sagen: Die Fans haben sich untereinander geprügelt. Und zwar einerseits die, die auf meiner Seite waren und andererseits die, die den Kopf hatten. Letztlich habe ich den Kopf ja dann auch wiederbekommen.Dann kommt beim Legendenturnier das nächste Ding. Zwei Ordner flippen aus, greifen unsere Fans an und dann fällt das blöde Gitter um. Und was macht die Stadionregie? Die zeigt mich auf dem Videowürfel. Eine super Idee...[b]In dem Kostüm fällt es natürlich noch einmal mehr auf, wenn man sich aufregt, als wenn das hinter dem Zaun einem Fan passiert…[/b]Ich habe ja schon immer gesagt: Ich bin natürlich gleichzeitig auch Fan und versuche die Fans auf meine Seite und die Seite der Mannschaft zu ziehen. Im Nachhinein hat das alles gut geklappt, denke ich. Wenn ich die Reaktionen auf meiner privaten Facebook-Seite betrachte, kann ich sagen, dass es nicht eine negative Reaktion gibt.[b]Apropos Facebook. Geht es mit der Seite des Grotifanten weiter?[/b]Die Seite wird weiterlaufen. Wir haben jemanden, der sich um die Seite kümmert und ich hoffe, dass derjenige auch wieder etwas regelmäßiger Beiträge liefern wird. Das wird funktionieren. Nur, weil ich aufgehört habe, heißt das nicht, dass der Grotifant tot ist. Der Grotifant muss weiterleben, wer auch immer in dem Kostüm steckt.[b]Um nochmal auf dein erstes Spiel zurückzukommen: Wie hat sich damals das erste Mal als Grotifant angefühlt?[/b]Das war wirklich komisch, weil auch an dem Tag das Prinzenpaar von Krefeld und jede Menge Zuschauer da waren. Man steht dann da unten und denkt sich: „Alter Falter!“. Und dann nahm einfach alles seinen Lauf. Als ich das erste Mal die Fans ermutigt hatte, zu klatschen, und alle haben mitgemacht, da wurde es zum Selbstläufer.[b]Hast du dir vorher einen Plan zurechtgelegt, wie du an die Sache herangehen würdest?[/b]Nein. Ich bin offen darangegangen und habe spontan entschieden, was ich mache. Im Laufe der Zeit bekommt man dann ein System und seinen Rhythmus. Aber man ärgert sich ja beispielsweise auch als Fan über vergebene Torchancen. Das läuft dann spontan.[b]Wie sah denn eigentlich so dein Ablauf am Spieltag aus?[/b]Anfangs – bei Maes und Luginger – habe ich mich in der Kabine umziehen dürfen, da war das überhaupt kein Problem. Aber im Laufe der Jahre war das nicht mehr möglich und ich habe im Kabinentrakt einen separaten Raum gehabt, bei dem ich die Türe schließen konnte und für mich alleine war. Eine halbe Stunde vor Spielbeginn habe ich mich umgezogen – das dauerte ungefähr zehn Minuten und in den letzten drei Jahren half mir immer die gleiche Person beim Anziehen des Kopfes – und 20 Minuten vor Spielbeginn habe ich mich an der Seitenlinie eingefunden.Bei der Mannschaftsaufstellung stand ich schon bereit und wenn die Mannschaften rauskamen, klatschte ich die Jungs ab. In der letzten Saison habe ich auch die gegnerischen Spieler und die Schiedsrichter abgeklatscht.[b]Fühlst du dich mit deinem neuen Job wohl?[/b]Ja. In meinem alten Job habe ich mich nicht mehr wohl gefühlt und es wurde mir auch nahegelegt, mir einen neuen Job zu suchen. Das lief dann einfach kurios: freitagsmorgens bekommt man gesagt, dass man sich einen neuen Job suchen soll und auf dem Weg zum Auto liest man, dass der KFC einen Betreuer sucht. Ich habe direkt Niko Weinhart angerufen, wir haben uns ein paar Mal getroffen und dann war das klar.Und mal ganz ehrlich: Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Das ist noch eine Stufe höher als Grotifant zu sein. Grotifant zu sein war schon grandios aber jetzt bin ich noch näher dran. Ich arbeite jeden Tag mit dem Trainerteam und den Spielern zusammen. Das ist fantastisch für mich, besser geht es nicht.[b]Kannst du dir trotzdem vorstellen, irgendwann noch einmal in dieses Kostüm zu schlüpfen?[/b]Als für den Fototermin im Uerdinger Krankenhaus ein Grotifant gesucht wurde, bin ich spontan eingesprungen. Wenn Not am Mann ist und ich Zeit habe, bin ich natürlich da. Aber solange ich Team-Betreuer bin, werde ich nicht mehr bei Spielen den Grotifanten machen. Wie sieht das denn aus? Einem Spieler bricht der Stollen ab und der Grotifant läuft in die Kabine, kommt mit dem Stollensatz wieder und schraubt als Grotifant den Stollen an. Die Schlagzeile würde mich dann aber interessieren.[b]Freust du dich denn auf die mediale Ruhe, die dir gegenüber nun einkehrt?[/b]Ja. Auch wenn die letzten Schlagzeilen positiv waren, habe ich da keine Lust mehr drauf. Ruhe ist mir wichtig. Die Ruhe bekomme ich aber auch von den Jungs. Die geben mir das Gefühl, wichtig zu sein. Ich fühle mich nicht nur als ‚Wasserträger‘, sondern ganz im Gegenteil: Ich arbeite ganz eng mit dem Trainerteam und der Mannschaft zusammen. Ich kann mich in der Kabine mit einbringen und sorge in meinem Bereich für Ordnung und Disziplin. Ich soll mir die Jungs „erziehen“.[b]Und dein Job lässt sich mit deinem Fan-Sein vereinbaren?[/b]Mein Mentor sagte mir: „Es gibt schwarz und es gibt weiß. Und du musst grau nehmen. Es ist dein Job“. Natürlich darf ich mich freuen und ärgern aber mein Fan-Sein muss ich währenddessen ad acta legen und meinen Job machen.Dazu gibt es eine witzige Geschichte: Michael Wiesinger hatte ein paar Videos von mir als Grotifant gesehen und sorgte sich daraufhin, dass ich bei den Spielen nun ständig hinter ihm stehen würde. Ich konnte ihn beruhigen, fragte aber zurück, ob ich wenigstens jubeln dürfe. Er sagte, das jubeln erlaubt sei, aber würde ich ständig hinter ihm stehen, würde ich den Job nur ein oder zwei Spiele machen. Das wird aber auf gar keinen Fall passieren, da werden sich noch alle wundern. Es laufen ja wohl schon Wetten, wie viele Spieltage es dauern wird, bis man mir kündigt. Was bilden sich diese Leute eigentlich ein? Das ist mein Job, von dem muss ich leben. Da kann ich nicht ausrasten. Das ist etwas komplett anderes, als wenn ich als Grotifant an der Seitenlinie stehe. Ich beziehe Gehalt und habe das zu tun, was meine Vorgesetzten verlangen. Ich werde nicht ausrasten.[b]Wenden wir uns wieder deinem Nachfolger zu: Wirst du ihm etwas mit auf den Weg geben?[/b]Nein. Er soll sein Ding machen und nicht mich kopieren. Er soll sich so geben, wie er ist und niemanden imitieren. Sollte er zu mir kommen und einen Ratschlag wollen, wird er ihn aber sicherlich auch bekommen.[b]Wenn man aktuell bei Google „Grotifant“ eingibt, lautet der erste Vorschlag „Grotifant verprügelt“. Was würdest du dir für die Zukunft als ersten Vorschlag wünschen?[/b]Grotifant feiert Aufstieg in die 3. Liga. Das würde ich mir wünschen, denn dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.