Matthias Herget
Auch von mir alles gute zum Geburtstag. Ich bin dankbar dafür, dass ich ihn spielen sehen und somit die große und erfolgreiche Zeit des FC Bayer Uerdingen miterleben durfte.
Unvergessen auch sein geiles Tor 1986 als Uli Stein zu weit vorm Kasten stand und Herget ihm fast von der Mittellinie aus einen eingeschenkt hat. 💪 Alles Gute zum Geburtstag auch von mir.
@Sondermann: Als "spektakulärer Transfercoups" wurde er damals gar nicht wahrgenommen ... er kam ja "nur" aus der 2. Liga.
Wirklich "spektakulär" im Sinne von überraschend war Siggi Held, den Du vergessen hast.
Das Interview mit ihm in 11Freunde:
Matthias Herget im Interview
„Toni Schumacher hatte mit meiner Art zu spielen wohl ein Problem“
Für Franz Beckenbauer war er der „beste Libero aller Zeiten“, für andere eher ein schlampiges Genie. Heute wird Matthias Herget 70 Jahre alt. Hier spricht er über Hattricks per Elfmeter und „Tore des Monats“ aus größter Distanz.
Von Tim Jürgens
14.11.2025, 15.00 Uhr • aus 11FREUNDE 173/2016
Matthias Herget, wie erzielt man einen Hattrick per Elfmeter?
Sie spielen auf meine drei Tore beim 6:0 mit Rot-Weiss Essen gegen Holstein Kiel in der Zweitligasaison 1980/81 an.
Im September 1980 verwandelten Sie an der Hafenstraße in einer Halbzeit drei Strafstöße in Folge.
Ich habe an das Spiel kaum Erinnerungen. Ich weiß nur, dass ich einen Elfer links, einen rechts und einen in die Mitte geschossen habe.
Ob es Foul- oder Handelfmeter waren, wissen Sie nicht mehr?
Nein, es gibt von der Partie auch keine Fernsehaufnahmen. Aber wissen Sie, was dieses Spiel noch kurioser macht?
Nein.
Dass Frank Mill in der ersten Halbzeit aus dem Spiel heraus auch einen Hattrick erzielte. Bei Frankie trainiere ich heute in der Fußballschule. Wir hatten beide jahrelang nicht mehr an dieses Match gedacht, erst vor ein paar Jahren kam ein Journalist und fragte danach. Er hatte es auch fast vergessen.
Sie haben dreimal das „Tor des Monats“ erzielt. In zwei Fällen überlupften Sie den Keeper aus der Distanz mit einem langen Ball. Woher rührte Ihre Fähigkeit für den langen Pass, das gute Auge und die Technik?
Mein Vater war Bergmann, er starb mit 49 Jahren an Staublunge. Er hat immer gesagt, ihr könnt machen, was ihr wollt, nur da runter fahrt ihr nicht. Ich wuchs also als Fußballer auf der Straße zwischen den Zechen auf. Ich hatte immer eine schnelle Auffassungsgabe. Deshalb wurde mir oft vorgeworfen, dass ich den Zweikampf scheue. Aber ich dachte mir: Warum in den Zweikampf gehen, wenn ich eine Situation vorher durch Intuition lösen kann?
Franz Beckenbauer bezeichnete Sie in den Achtzigern als „besten Libero aller Zeiten“. Ihre Profikarriere begannen Sie allerdings als Manndecker.
Als ich 1976 vom SC Gelsenkirchen 07 zum VfL Bochum wechselte, spielte dort Jupp Tenhagen als Libero. Gegen den kam ich als Youngster nicht an. Also stellte mich Coach Heinz Höher ins defensive Mittelfeld.

Matthias Herget wurde im Erzgebirge geboren und wuchs in Gelsenkirchen auf. Seine Profilaufbahn begann 1976 beim VfL Bochum. Die erfolgreichsten Jahre erlebte er ab 1982 bei Bayer 05 Uerdingen. Mit dem Werksklub gewann er 1985 den DFB-Pokal und erreichte ein Jahr später das Halbfinale im Europacup. Zwischen 1983 und ’88 spielte Herget 39 Mal für Deutschland. Sowohl bei der WM 1986 als auch bei der EM 1988 fehlte er in den wichtigen Momenten aber verletzungsbedingt.
Foto: IMAGO
Wie kamen Sie mit Heinz Höher aus?
Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den zwei Jahren, die ich in Bochum war, mal mehr als drei Sätze miteinander gewechselt hätten.
Dabei waren Sie von Anfang an bei Höher gesetzt. Sie machten in zwei Spielzeiten 64 Bundesligaspiele.
Und dennoch kam er nach zwei Jahren zu mir und teilte mir mit, dass er nichts mehr mit mir anfangen könne.
Er schmiss Sie ohne Vorwarnung raus?
Ich wusste gleich, warum: Ich wollte Libero spielen, aber er hielt mich für zu jung und unerfahren. Ich war ihm wohl zu ruhig, um auf dieser Position zu spielen.
Und das nahmen Sie einfach so hin?
Zugegeben, ich war überrascht, dass es so kam. Ich war schließlich Stammspieler. Er teilte es mir so kurz vor Saisonende mit, dass ich mit der Gewissheit in Urlaub fuhr, vorerst arbeitslos zu sein.
Sie verloren Ihren Job und fuhren in den Urlaub?
Was hätte sich geändert, wenn ich zu Hause geblieben wäre? Mit meinem Teamkollegen Michael Eggert und unseren Frauen hatte ich ein Wohnmobil gebucht, um an die Côte d’Azur zu fahren. Es war alles durchgeplant.
„Kalli Feldkamp war beim Großteil der Spieler nicht sonderlich beliebt“
Nach dem Sommer wechselten Sie zu Rot-Weiss Essen in die zweite Liga. Dort spielten Sie endlich Libero. Allerdings unter Rolf Schafstall, der Fußball eher als Kampfspiel betrachtete.
Schafstall hatte eine Art, Spieler auf extreme Weise zu triezen. Mich hielt er offenbar für lauffaul, weshalb er mich beim Kleinfeldspiel ohne Tore stets gegen den laufstärksten Spieler antreten ließ. Das bedeutete, immer wenn der Gegner in Ballbesitz war, musste ich dem hinterherlaufen.
Der härteste Trainer, den Sie je hatten?
In dieser Art schon. Schafstall wollte rausfinden, wie weit er bei einem Spieler gehen konnte. Ich habe Kollegen gehabt, die kriegten bei ihm nicht den Hauch einer Chance. Die hat er aufs Derbste vor versammelter Mannschaft runtergemacht. Da kam man auch als Mitspieler ins Grübeln.
Zur Saison 1982/83 wechselten Sie zu Bayer Uerdingen. Der Vorstandschef war mit Ihrer Verpflichtung anfangs nicht zufrieden.
Arno Eschler beschwerte sich bei unserem Manager Dieter Tippenhauer, warum er wieder „so einen Kleinen“ geholt habe.
Aber so klein sind Sie doch gar nicht.
Ich weiß auch nicht, was sein Problem war. Ich bin fast 1,80 Meter, aber Eschler meinte wohl, dass ein Libero größer sein müsse. Das Urteil hat er dann aber schnell wieder revidiert.
Ihr Coach hieß zunächst Werner Biskup, der bald darauf wegen seiner Alkoholsucht entlassen wurde.
Biskup war ein sehr feiner Mensch. Unter ihm entstand dieser harmonische Mannschaftsgeist, der uns in Uerdingen über Jahre zu einer Einheit verschweißte, die so erfolgreich wurde.
Was machte die Magie dieser Uerdinger Mannschaft aus?
Unser Team bestand größtenteils aus Spielern, die woanders ausgemustert worden waren. Es gab keine Stars. Wir trafen uns oft schon vorm Training, um Fünf gegen Zwei zu spielen. Und hinterher saßen wir beim Hallenwart und tranken Kaffee. Und als wir uns 1983 in der Relegation zur Bundesliga gegen den haushohen Favoriten aus Schalke durchsetzten, hat es uns noch einen Selbstbewusstseinsschub gegeben.
„Es bedeutete uns allen sehr viel, dass ein Spiel von uns live im Fernsehen übertragen wurde.“
Der erfolgreichste Trainer in Ihrer Uerdinger Zeit war Karl-Heinz Feldkamp. Unter ihm gewannen Sie 1985 den DFB-Pokal und stießen im Jahr darauf bis ins Europacuphalbfinale vor. Sie gerieten mit ihm jedoch wiederholt öffentlich aneinander.
Kalli Feldkamp hat überall, wo er arbeitete, Erfolg gehabt. Aber die Art und Weise, wie in Uerdingen diese Erfolge zustande kamen, passte nicht mit seiner Außenwirkung zusammen.
Das heißt?
Er war bei einem Großteil der Spieler nicht sonderlich beliebt. Er hatte ein paar Lieblinge, den Rest der Mannschaft ließ er links liegen. Ich glaube, er tat sich schwer damit, wenn andere neben ihm glänzten. Er interessierte sich nicht dafür, unsere Mannschaft langfristig weiterzuentwickeln. Wenn er sich auf einen eingeschossen hatte, versuchte er ihn loszuwerden, selbst wenn er wichtig fürs Team war. Ich fand das schade, denn wir waren zu einer guten Einheit zusammengewachsen, die auf diese Weise auseinandergerissen wurde.
Auch Feldkamps Trainingsmethoden werden von vielen, die unter ihm gespielt haben, in Zweifel gezogen.
Schon die erste Einheit am Löschenhofweg war kurios. Zum Warmmachen ließ er uns einmal über den Platz rennen, dort sollten wir in Richtung Zaun grätschen und zurückkommen. Keine Ahnung, aber als ich das hörte, hakte bei mir irgendwas aus.
Haben Sie sich beschwert?
Das nicht, aber er konnte an meiner Körpersprache ablesen, wie ich die Übung fand. Zum Glück ließ er die meisten Einheiten durch seinen Assi durchführen. Eine skurrile Zeit – und doch stehen über allem seine Erfolge.
11 FREUNDE hat das Viertelfinalrückspiel Bayer Uerdingen gegen Dynamo Dresden im Europapokal der Pokalsieger 1986 zum „besten Spiel aller Zeiten“ gekürt. Das Hinspiel gewann Dynamo mit 2:0, im Rückspiel stand es zur Halbzeit in der Grotenburg 1:3, am Ende gewann ihr Team mit 7:3. Feldkamp sagt, er habe in der Pause zur Mannschaft gesagt, sie solle die Sache anständig zu Ende bringen.
Vielleicht irre ich mich, aber an Kalli Feldkamp kann ich mich in der Halbzeit nicht erinnern. Soviel ich weiß, war er sauer und irgendwo im Stadion unterwegs.
Woran erinnern Sie sich?
Sie müssen bedenken, dass wir ein gewachsenes Team waren. Es bedeutete uns allen sehr viel, dass ein Spiel von uns live im Fernsehen übertragen wurde. Also habe ich gesagt: „Jungs, denkt dran, das ZDF überträgt. Lasst uns zusehen, dass wir uns hier gut verkaufen und uns nicht abschlachten lassen.“ Ob das einen Ausschlag für den weiteren Spielverlauf gegeben hat, weiß ich nicht.
Wurden Sie von Fans beschimpft?
Doch nicht in Uerdingen. Klassische Fankultur gab’s da gar nicht. Es war alles sehr überschaubar und genügsam. Im positiven wie im negativen Fall.
„Wenn Schumacher mich nicht im Training abgeräumt hätte, hätte ich bei der WM gespielt.“
Sie haben 39 Länderspiele gemacht. Vor der WM 1986 waren Sie als Libero der Nationalelf gesetzt. Wegen einer Verletzung spielten beim Turnier jedoch Klaus Augenthaler und Ditmar Jakobs auf Ihrer Position.
Das hatte ich Toni Schumacher zu verdanken, der im Training in mich hineingrätschte, so dass ich mir eine Bänderdehnung im Knie zuzog.
Schumacher gab später zu, die Aktion sei vorsätzlich gewesen.
Toni hatte mit meiner Art Fußball zu spielen, offenbar ein Problem. Mir wurden ja öfter Schludrigkeit und Arroganz unterstellt. Auf manchen wirkte ich wohl, als wäre ich nicht richtig bei der Sache.
Schumacher wollte einen Abwehrchef, der dazwischen haut.
Das hat er dann ja auch gemacht. Eine Woche vor dem WM-Eröffnungsspiel hat er mich im Training abgeräumt. Es kam ein langer Ball, ich war in der Rückwärtsbewegung, und er kam aus dem Tor und klärte die Situation auf seine Weise. Wenn das nicht passiert wäre, hätte ich bei der WM gespielt.
Wie haben Sie reagiert? Waren Sie nicht wütend?
Erst habe ich die Schuld gar nicht bei ihm gesucht, erst als er zugab, dass er es bewusst gemacht habe, fragte ich mich, was er damit bezweckt. Aber so war er mich bei der WM los.
„Als wir an unserem Tisch angekommen waren, sagten wir nur ein Wort: 'Champagner!'“
Der schlimmste Moment Ihrer Laufbahn?
Natürlich schmerzt es, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Während der WM hat Franz dann auf der Position ständig variieren müssen: Mal hat Augenthaler gespielt, dann Jakobs, zwischendurch sogar Norbert Eder. Aber so hatte Toni es sich wohl vorgestellt: mit einem rustikalen Abwehrbollwerk vor seinem Strafraum.
Bei der WM 1986 gab es viele Cliquen im Nationalteam. Zu welcher gehörten Sie?
Zu gar keiner. Ich saß an einem Sechsertisch mit Felix Magath, Rudi Völler, Uwe Rahn, Andreas Brehme und Thomas Berthold. Bei den Spielern also, deren Klubs nur mit einem oder zwei Akteuren vertreten waren.
Nach dem gewonnenen WM-Halbfinale gegen Frankreich hat Ihr Tisch im Trainingslager eine Party gestartet. Die Fotos von Ihnen mit den Mexikanerhüten kennt jeder Fußballfan.
Wir kamen als Letzte in den Speisesaal. Alle anderen saßen dort bereits im Trainingsanzug. Damals waren auch die Pressevertreter noch mit im Quartier. Zuerst fragten sich alle, was wir denn für Typen seien, erst nach und nach wurde klar, wer sich da unter den Kostümen verbarg. Wir schritten also wortlos die Reihen ab, und als wir an unserem Tisch angekommen waren, sagten wir nur ein Wort: „Champagner!“
Also kein Blick zurück im Gram auf dieses Turnier?
(Seufzt.) Man muss doch das Beste aus der Situation machen. Natürlich hätte ich gerne gespielt, ist doch klar. Wenn ich heute angesprochen werde „Herr Herget, Sie sind doch Vizeweltmeister!“, sage ich: „Nein, bin ich nicht! Denn ich konnte bei der WM 1986 sportlich nichts beitragen.“
„Fußball war mein Hobby, ich war nie darauf aus, einen Beruf daraus zu machen.“
Auch die EM 1988 verlief unglücklich für Sie. Wieder waren Sie umgeben von rustikalen Verteidigern wie Uli Borowka, Guido Buchwald und Jürgen Kohler.
Aber bei der Europameisterschaft habe ich Libero gespielt.
Dennoch war es kein einfaches Turnier für Sie.
Beim Auftakt gegen Italien machte ich ein schlechtes Spiel. Wahrscheinlich hatte ich mir zu viel vorgenommen. Die „Bild“ haute gleich wieder drauf und fragte, ob ich überhaupt der Richtige auf der Position sei. Danach kam ich aber gut in Tritt, nur im Halbfinale gegen Holland verletzte ich mich vor der Halbzeit an den Adduktoren und musste raus.
Beim Stand von 0:0. Am Ende gewannen die Niederländer mit 2:1 und zogen ins Finale ein.
Franz sagte: „Wenn sich Mattes nicht verletzt hätte, wären wir ins Endspiel gekommen.“
Wäre es für Sie eine Option gewesen, 1990 noch mal bei der WM in Italien für Deutschland aufzulaufen?
Ich bin nie aus der Nationalelf zurückgetreten. Ich wollte so lange spielen, wie ich berufen würde. Mein Pech war, dass ich durch den Adduktorenabriss drei Monate außer Gefecht gesetzt war. Und genau in der Phase wurde Rolf Schafstall Trainer in Uerdingen. Er nutzte meine Situation, um jedem zu erzählen, dass ich zu alt sei, um zurückzukommen – und ich wechselte zu Schalke 04 in die zweite Liga. Doch als Zweitligaspieler wurde man damals nicht mehr zur Nationalelf eingeladen.
Tragisch, denn bei der WM 1990 war auch ihr spezieller Freund Toni Schumacher nicht mehr dabei.
Franz Beckenbauer nahm Klaus Augenthaler und Paul Steiner als Liberos mit nach Italien. Darüber habe ich noch oft nachgedacht. Gut möglich, dass ich zumindest als Ersatzspieler zur WM gefahren wäre, wenn ich in Uerdingen geblieben wäre.
Matthias Herget, sind Sie als Fußballer oft zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen?
Überhaupt nicht. Fußball war mein Hobby, ich war nie darauf aus, einen Beruf daraus zu machen. Deswegen bin ich sehr dankbar für alles, was mir der Fußball ermöglicht hat und bis heute ermöglicht.
Vielen Dank fürs posten dieses Interviews, und an den Troll, der hier meint einen Daumen runter zu geben : verpiss dich in deine Höhle.