Ich finde, dass wir gestern eine ordentliche erste Halbzeit gespielt haben. Wir haben Mannheim das Spiel machen lassen, woraus sich aber keine nennenswerten Chancen ergeben haben. Das normale Spiel gegen den Ball ist bei uns noch am besten, also okay, aber man hat auch gestern gesehen, dass eine ballsichere, eingespielte Mannschaft mit guter Raumaufteilung wie Mannheim auch aus Ballbesitz gegen uns gefährlich werden kann, weil wir einfach oft nicht richtig pressen und dadurch Räume entstehen bzw. Spieler viel zu viel Zeit bei der Ballannahme haben. Teilweise stimmt auch nicht die Abstimmung zwischen Außenverteidiger und seinem Vordermann beim Verteidigen, sodass wir zu viele Flanken zulassen.
Besonders fällt dies eben wirklich auf unserer linken Abwehrseite auf. Dorda hat schon oft genug gezeigt, dass er Flankenläufe locker verteidigen kann, er hat aber viel zu viele Momente, in denen er überhaupt nicht nah am Gegenspieler ist und viel zu viel zulässt bzw. nicht rechtzeitig zurückkommt. Man merkt einfach einen Unterschied zu Bittroff, auch in der Einstellung, Zweikampfführung und im Verantwortungsbewusstein. Bittroff macht immer seine Wege zurück und läuft oft durch. Er antizipiert die Angriffe des Gegners auch viel besser und hat so auch gestern wieder den Stürmer auf dem Weg alleine auf unser Tor abgelaufen. An unseren beiden AVs sieht man einfach diese Spanne im Team, was Kampf, Einstellung und Laufbereitschaft angeht.
Wenn wir allerdings den Ball hatten, dann wurde der entweder blind nach vorne gepöhlt (das kann nicht unser Anspruch sein), es wurde erstmal das Tempo rausgenommen (wir sind im Umschaltspiel nach vorne und hinten mit die Schlechtesten der Liga) und hintenrum gespielt oder wir haben ihn durch mangelnde Ideen und Anspielstationen oder Stockfehler wieder verloren. Es gab einige gute Ballgewinne in der ersten Hälfte, die man viel besser ausspielen kann. Draus geworden sind ein paar abgeblockte Schüsse und Zufallsprodukte. Das wirkt oft einfach überhastet und planlos, ohne Automatismen, ohne Selbstvertrauen und macht einen echt ratlos. Wir haben immerhin Ende September und es wird einfach nicht besser.
Gekillt hat uns meiner Meinung dann auch der Ausfall von Kirchhoff, der für mich in Zwickau und gestern schon mehr Leaderqualitäten gezeigt hat und für mich am ehesten Kapitän sein sollte. Kichhoff ist der einzige Spieler, der unser Spiel im Ansatz lenkt. In der Hinsicht fehlt es insgesamt unserem Spiel an allen Ecken und Enden. Rodriguez kann dem Spiel weiter vorne einfach kaum seinen Stempel aufdrücken und die Außen bzw. Boere in Szene setzen. Alternativen haben wir kaum. Pflücke bekommt nicht die Chance. Und Konrad als Einwechslung für Kirchhoff ist einfach nicht mehr als eine letzte Alternative bei eigener Führung für die Innenverteidigung, um alles wegzuverteidigen. Eigentlich aber darf so ein limitierter Spieler gar nicht im Kader stehen. Fußballerisch ist das maximal Regionalliga und von der Zweikampfführung Jugendfußball.
Und genau diese mangelhafte Zweikampfführung einiger, ja fast aller Spieler, endet dann in unseren Gegentoren (wie bereits sehr treffend analysiert).
Dass der Mannheimer dann auch noch ein Tor schießt, dass er nie mehr so schießen wird, ist natürlich bitter und hat dem Spiel seine entscheidende Richtung gegeben. Aber wir lassen ihn eben auch in Ruhe schießen, worüber er ja selbst überrascht war. Es ist diese Sorglosigkeit, die fehlende Spannung, fehlende Konzentration, die uns alleine schon jedes Wochenende riesige Probleme bereitet. Ich finde, dass wir ein großes Mentalitätsproblem im Team haben. Es muss wirklich erst fünf vor 12 sein, damit man unsere Mannschaft Gras fressen sieht, damit jeder die unangenehmen Meter geht, kämpft bis zum Umfallen. Der Zwickau-Sieg hat bei einigen schon wieder für Zufriedenheit gesorgt und man dachte, dass es jetzt wohl wieder mit 90% geht. Das ist fatal und wird in der 3. Liga gnadenlos bestraft - von jedem Gegner.
Dann liegst du 0:1 zurück, nach 50 Minuten, was immer mal passieren kann. Aber was macht unser bornierter Trainer, der immer auf Sieg spielen will, den Offensivfußball liebt (bla bla), aber auch vor Mannheims Konterstärke warnt? Er wechselt form- und offensivschwache Spieler ein und opfert unsere Zentrale. Und damit erzeugen wir nicht nur vorne kaum Gefahr, weil es eben auch an so vielem fehlt (schnelle, sichere Ballzirkulation, Pässe hinter die Abwehr, getimte Läufe hinter die Abwehr, einstudierte Spielzüge, genaue Flanken mit Sinn, Durchsetzungsvermögen im Zweikampf und Antritt, Ruhe, Übersicht - ist Trainingssache, Frage der Qualität und der Auswahl der Spieler auf dem Platz...), sondern sind nach hinten in peinlichem Ausmaß offen wie ein Scheunentor, weil keine Absicherung mehr da ist bzw. bei offensiver Ausrichtung erst gar kein Gegenpressing und als Krönung hinten alle bis auf Bittroff nicht die schnellsten sind. Wie doof stehen wir da, wenn es nach 60 Minuten 0:3 steht. Dann bekommst du am Ende 5 Dinger, weil selbst dann Vogel noch offensiv spielen lässt.
Für mich gibt es mehrere Gründe für unsere Lage.
Wir haben zu viele Spieler auf dem Platz stehen, die einfach zu wenig leisten (wollen/können) und somit das Gesamtgefüge schwächen, weil zu viele Zweikämpfe verloren gehen und wir die Ordnung verlieren. Es braucht 11 fitte, gallige Spieler in guter Form und mit Selbstvertrauen, die alle für den anderen da sind, sich gegenseitig pushen, um jeden Zentimeter kämpfen - sehen tut man als Fans davon leider nicht viel, was fatal ist.
Dann stellt unser Trainer als Verantwortlicher einfach sehr fragwürdig auf und ein. Ich glaube, jeder zweifelt inzwischen an seinem Sachverstand, weil auf dem Platz zu oft Unordnung und Ratlosigkeit anstatt ein Plan zu sehen ist. Dazu kommen die falschen Entscheidungen im Spiel (Einwechslungen, falsche Taktikvorgaben).
Auch müssen wir einsehen, dass unser Kader einfach nicht vernünftig zusammengestellt wurde. Es fehlt an Qualität auf bestimmten Positionen in der Spitze, ansonsten in der Breite, weil einige Spieler zudem kaum einsatzfähig sind. Ich finde, dass gerade die Kaderzusammenstellung ein gewaltiger Kritikpunkt auch an Vogel ist. Erstmal ist es natürlich schon irritierend, dass er mit unserem Spielermaterial offensiven Ballbesitzfußball spielen lassen wollte und immer noch will. Noch gravierender ist es aber, dass er dann noch nicht mal passende Fußballer für sein System geholt hat (Spielmacher, schnelle Verteidiger) bzw. nicht merkt, dass seine Idee mit dem vorhandenen Personal nur schwer umsetzbar ist, da es an Qualität und Fitness mangelt. Jetzt spielen wir offensiv, ohne gefährlich zu sein und sind im Umschaltspiel komplett offen. Die Einsicht, dass wir jetzt erstmal sicher stehen sollten und irgendwie punkten müssen, sollte aktuell über Offensivphantasien stehen, die sowieso nicht realistisch sind. Ich stimme euch zu, dass wir im Winter die Chance nutzen müssen, unseren Kader auf Vordermann zu bringen (nach Vogels Vorstellungen oder denen des eventuell neuen Trainers).
Pech und 38 Auswärtsspiele kann man eigentlich nicht gelten lassen. Umso schlimmer, dass sich manche daran klammern.
Ich würde allerdings auch die Spiele gegen Meppen und Magdeburg abwarten als letzte Chance zur Besserung, um dann einen Strich drunter zu ziehen und abzurechnen. Ja, dieser Kader in seiner Zusammensetzung und mit seinen Charakteren macht es jedem Trainer überdurchschnittlich schwer, aber auch ich bin davon überzeugt, dass mit dem richtigen Trainer mehr drin ist.